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Elektrohypersensibilität (EHS) ist eine Erkrankung

Aber haben wir überhaupt noch eine Existenzberechtigung? Sind die Menschen, die an dieser Erkrankung leiden, nicht die Leprakranken von heute? Nein, ohne Ansteckungsrisiko, aber genauso ausgestoßen, an den Rand der Gesellschaft verbannt und rechtlos! Schleichend hat sich so etwas wie das Recht des Stärkeren durchgesetzt, das Recht des Marktes, des Geldes ... in vielen anderen Bereichen auch. Das Besondere an der EHS ist, dass die Krankheit eine Stressreaktion auf Überlastung mit hoch- oder niederfrequenter Strahlung ist, die heute, angesichts des Ausbaus der Mobilfunknetze, ein nahezu permanentes und flächendeckendes Problem ist für die Betroffenen, die einfach keine Lebensqualität mehr haben. Die Erkrankung EHS wird von der Politik weitestgehend ignoriert. Die Verantwortung wird auf die Betroffenen, die Kranken, abgeschoben; sie werden mit dem Problem allein gelassen. Es ist aber ein Problem, das wir alleine nicht lösen können. Dazu ist es zu omnipräsent. Ich kann bei Allergien auf Allergene verzichten; ich kann bei bestimmten Erkrankungen aktiv daran mitarbeiten, dass sie sich bessern. Bei EHS ist das extrem eingeschränkt machbar und es bedeutet schlicht, Verzicht auf vieles, wo ich stärkerer Belastung ausgesetzt bin, oder Flucht von Orten, die stark belastet sind. Und Flucht, Ausweichen, Rückzug kennzeichnen meinen gesamten Alltag. Ich kann keine fünf Minuten mehr in Ruhe einen Kaffee in der Stadt trinken und etwas lesen - es ist immer jemand in meiner unmittelbaren Nähe, der ein Smartphone aktiv nutzt.

Auf der gesellschaftlichen Ebene gibt es keine Schutzstandards, keine Rechte, die unsere Sensibilität oder erhöhte Verletzlichkeit berücksichtigen. Es gibt, mit Ausnahme Schwedens, keine Anerkennung dieser Erkrankung, keine Forschung, wie sich Symptome lindern ließen oder wo mögliche Ursprünge und Ursachen liegen. Auf diese Weise sind Menschen mit EHS ihrer Grundrechte beraubt worden, dem Recht auf Gesundheit, der Freiheit, zu leben wie wir möchten und wo wir möchten, zu reisen, wie wir möchten und wohin wir möchten .. wir sind zu permanenten gravierenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen verurteilt, oft auch zu Arbeits- und Berufsunfähigkeit, zu Armut und zu einem Verlust an gesellschaftllicher Teilhabe. Ich persönlich gehe in kein Konzert mehr, auch manche Museen bereiten mir große Probleme, Kinobesuche sind kein unbeschwerter Genuss mehr, sondern etwas, wo ich, um einen Film zu sehen, ein gewisses Maß an Beschwerden in Kauf nehme. Ich gehe kaum in Restaurants, weil es auch dort inzwischen vielfach Wifi-Router gibt. Ich kann nur mit sehr gründlicher Planung reisen und es kommen nur Unterkünfte ohne wlan, auch aus der Nachbarschaft, in Frage. Da Fliegen und Zugfahren sehr anstrengend ist, Busfahren nur auf sehr begrenzten, kurzen Strecken in Frage kommt, sind für mich viele Reisen nicht machbar.

Und: es müsste nicht ganz so schwer sein wie es ist, wenn es ein paar rechtliche Standards geben würde, z.B. dass wlan-Router nur im Bereich der eigenen vier Wände und nicht darüber hinaus senden dürfen. Es würde niemanden einschränken, die Lebensqualität von EHS-Kranken aber in Wohngebieten deutlich verbessern. Ebenso wäre es empfehlenswert, in Flughäfen, Zügen, Bahnhöfen etc. kleine Bereiche ohne wlan und ohne Smartphone-Nutzung zu schaffen. Und: Krankenhäuser bräuchten definitiv Bereiche für Patienten mit EHS. Dh. auch, dass Smartphones etc. in OPs nichts zu suchen haben. Das gibt eine Idee von dem, was machbar wäre, wenn der politische Wille bestehen würde, EHS-Kranke aus ihrer Isolation wieder in die Gesellschaft hinein zu holen und sie am gesellschaftlichen Leben wieder teilhaben zu lassen.

Ein gutes Interview mit einer Betroffenen gibt es hier (auf Englisch).

Ich frage mich manchmal, wie mein Leben, wie meine Lebensqualität ohne Mobilfunk aussehen würde? Es ist hypothetisch ... ich kann mir diese Frage nicht beantworten. Aber ich möchte nicht so allein gelassen sein mit diesem Problem. Ich möchte, dass die Politik reagiert. Ich möchte, dass die christlichen Kirchen, besonders die katholische, also meine Kirche, beherzt und couragiert gemäß dem Evangelium, z.B. Matthäus 25, 34-46 reagieren: "Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan." Ich kann mein Kreuz tragen und es ist kein leichtes, aber ich möchte mich nicht so ausgestoßen, so alleingelassen fühlen, wie ich mich fühle, so viel Wegschauen oder gar Spott erfahren oder auch Kommentare hören, dass ich in die Psychiatrie gehöre.

Es gibt auch Verständnis und Rücksichtnahme, vereinzelt und oft eher von jungen Leuten, wenn ich konkret jemanden darum bitte. Aber es bedeutet, permanent fremden Menschen von der eigenen Krankheit, die eben oft Unverständnis hervorruft, zu erzählen und sie überhaupt nur deswegen zu kontaktieren. Es ist eine permanente Entblößung, die ich eigentlich nicht möchte. Es gibt von Menschen, die mich kennen, eine gewisse Einsicht in die Dimension dieser Erkrankung. Aber es gab auch Freunde, die überhaupt kein Verständnis hatten und die auch nicht mehr meine Freunde sind. Und im Großen, im gesellschaftlichen Rahmen, bleiben Lösungen aus und nach wie vor gibt es viel zu wenig Informationen über diese Erkrankung mit ihrer Komplexität an Symptomen, z.B. Herzrhythmusstörungen. Ich allein muss mir immer wieder den Raum erkämpfen, in dem ich halbwegs ohne Beschwerden leben kann und auf sehr vieles verzichten. Und selbst in der Kirche kämpfe ich oft mit starken Symptomen, wo ich mich gerne auf die Heilige Messe konzentrieren würde.

Ich hoffe auf eine geschwisterliche und barmherzige Kirche, in der Nachfolge Christi. Und ich wünsche mir eine Gesellschaft, eine Welt, in der Menschlichkeit gelebt wird und in der die Schwachen, egal, woher ihre Schwäche und Bedürftigkeit kommt, nicht allein gelassen werden. Für mich ist es zunehmend so: ich finde überhaupt keinen Platz mehr in dieser Welt, keinen Raum, in dem ich LEBEN kann, wo ich spüre, dass ich ein Mensch mit Würde bin.