Luaverde
Porträt
Der
Palast des Marquis de Fronteira
Lustschlößchen der Fliesen
Als
burleskes Bestiarium hat der Schriftsteller José Cardoso
Pires den Park des Fronteira-Palastes bei Lissabon bezeichnet.
Nicht zu Unrecht, auch wenn nicht alles einem Bestiarium gleicht.
Fast 300 Jahre lag der Palast des
Marquis de Fronteira weit vor den Toren der Stadt Lissabon, wie
andere Nobelhäuser auch. Heute ist die Stadt nah an den kleinen
Palast herangerutscht. In greifbarer Nähe führen eine
Schnellstraße und eine Eisenbahntrasse fast am Rande des
Grundstücks entlang. Hinter dem Haus erstreckt sich der Monsanto-Park.
Die urbane Nüchternheit will nicht zu dem weinfarbenen Nobelhaus
mit weißen Sprossenfenstern passen, das von einem großen
Park umgeben ist. Doch wenn man hineintritt in den Hof und schließlich
ins Haus und in den weitläufigen, nach Südosten angelegten
Park, dann betritt man eine etwas andere Welt. Der Palast ist
nämlich anders als die meisten seiner Artgenossen eher ein
Lustschlößchen. Wenn man genau hinschaut, sieht man
wundersame Gestalten, halb Tier, halb Mensch, zwischen Grotten
und Wasserspielen:
Paradiesische
Szenen, Allegorien, Phantasien, die unerschöpflich scheinen
und in den Details, beim näheren Blick, ihre Originalität
offenbahren.
Die
Begegnung mit diesem amüsanten wie auch beeindruckenden Phantasiereich
auf Fliesen ist dem Marquis de Fronteira zu verdanken, der den
Garten und einen Teil seines Hauses Besuchern zugänglich
macht. Noch heute leben die Nachfahren des ersten Marquis de Fronteira
hier, der um 1670 das Haus im italienischen Stil bauen ließ.
Die Zeit symbolisierte ein Wiedererblühen Portugals nach
dem spanischen Interregnum von 1580 bis 1640. Portugals letzte
Königsdynastie, die Familie der Bragança, kam an die
Macht. Steuern und Abgaben flossen nicht mehr nach Spanien. Davon
profitierte auch die Azulejokunst, die in der Folge eine selten
wieder erreichte Blütezeit erlebte.
Im
Inneren des Palastes sind im Batalha-Saal die wichtigsten Schlachten
Portugals gegen Spanien in blau-weißen Fliesen dargestellt.
Die Nachfrage nach Fliesen wuchs beständig, die einheimischen
Manufakturen konnten die Nachfrage nicht bewältigen und so
wurde etliches bei holländischen Manufakturen in Auftrag
gegeben. Und holländische Künstler waren es auch, die
wichtige Werke in Kirchen und Palästen v.a. in Lissabon hinterließen.
Die Zeit von 1660 bis 1760 wird daher auch die "Blaue Epoche"
genannt, wegen des großen Einflusses der blau-weißen
Fliesen aus Delft, die wiederum von China inspiriert wurde.
So global war damals bereits die Welt. Viele Kunstschätze
aus dieser Zeit fielen durch das schwere Erdbeben vom 1. November
1755 in Schutt und Asche, unwiederbringlich. Auch das Stadthaus
des Marquis de Fronteira wurde durch das Erdbeben zerstört,
weshalb die Familie dauerhaft in den Palast vor den Toren der
Stadt umzog, den sie bis dahin nur als Sommerhaus genutzt hatte.
Mit diesem Umzug verband sich auch eine Erweiterung des Palastes.
Während
zahlreiche wertvolle Fliesenbilder im Zentrum Lissabons zerstört
wurden, ist in den ehemaligen Klöstern und Palais im Umland Lissabons
vieles bis heute erhalten, darunter auch einige Schätze aus
der "Blauen Epoche".
Zu
den originellsten Bildern im Park des Fronteira-Anwesens gehören
die musizierenden Katzen und seltsame Fabelwesen.
Bei
einigen Szenen sind die Grenzen zwischen beißendem Humor
und Sozialkritik fließend. Wann immer man sich Zeit nimmt
zur Betrachtung der Details, der einzelnen Gesichter, der Gesten
zwischen zwei Figuren, der Blicke, eröffnet sich eine fast
üppige Phantasiewelt.
Der
Reiz des Fronteira-Palast liegt aber auch in der Bandbreite und
Fülle des Dargestellten und in der gelungenen Integration
von Fliesenkunst und Gartenarchitektur, mit Skulpturen, Wasserelementen,
alten Bäumen, Blumen und Buchsbaumhecken. Die selbst im heißesten
Sommer erfrischende "Casa do Fresco" im schattigen Teil
des Gartens ist außen mit Muscheln, Glas und Porzellan verziert.
Das Geschirr ging bei einem Empfang zur Eröffnung des Palastes,
zu dem der König geladen war, zu Bruch, offensichtlich Teil
des Zeremoniells. Der Hausherr befand es für würdig,
fortan dieses schattige, von Wasser umgebene Häuschen zu
schmücken, in dem es beständig zehn Grad kühler
ist als in der Umgebung. Oben auf der Terrasse liegt die "Galeria
das Artes", in der die Musen der griechischen Antike dargestellt
sind. Die Verbindung zur griechischen und römischen Mythologie
und Astrologie wird auch im unteren Teil des Gartens sichtbar.
Hier werden Planeten und Sternbilder allegorisch dargestellt und
säumen einen eher sonnigen Teil des Gartens, begrenzt durch
eine große Wasseranlage.
Oberhalb dieser Wasseranlage liegt die "Galerie der Könige",
gerahmt von plastisch herausgeformten Pinienzapfen. Diese aus
dem spanischen Valencia stammende Keramik wurde teils mit kupferhaltiger
Farbe glasiert, die in der Sonne leuchtet. Doch auch hier zeigt
sich, was auch an anderen Fliesen zu sehen ist: kaum aufzuhaltender
Verfall, verstärkt durch zunehmende Luftschadstoffe. Ein
Bruchteil der Fliesen wurde vor längerer Zeit mit Hilfe privater
Spenden eher notdürftig restauriert.
Dass
der Marquis aber nicht nur bemüht ist, das Alte zu erhalten
und Besuchern zugänglich zu machen, zeigt ein modernes Fliesenbild.
Der
Auftrag ging an die wohl wichtigste portugiesische Malerin der
Gegenwart, Paula Rego. Sie schuf ein Bild zum Element "Feuer",
das in der Galerie der Elemente bis dato fehlte. Es zeigt, in
furiosem Pinselstrich, eine tanzende Frau und eine Hunde- oder
Wolfsgestalt, die durch einen Feuerreifen springt. Und wenn Jörg
Schubert in seinem wunderschönen und kenntnisreichen Bild-Text-Band
"Lissabon" (erschienen 1981 im Pinguin-Verlag) urteilt:
"Alles in allem gehören die Azulejos des Fronteira-Palastes
jedenfalls zu den ganz großen Kostbarkeiten Portugals, die
den Besucher zutiefst beeindrucken und beglücken", so
dürfte das kleine Werk von Paula Rego diesen Reigen der Kostbarkeiten
fortsetzen. Doch im Gegensatz zu ihr sind die Schöpfer der
anderen Fliesenbilder im Park unbekannte Meister geblieben.
Information:
Palácio dos Marqueses de Fronteira
Largo de. S. Domingos de Benfica, 1
1500-554 Lissabon
Tel.: 21 778 20 23
Der
Palast selbst ist nur im Rahmen von Führungen zu besichtigen:
montags bis freitags in den Monaten Juni bis September jeweils
um 10.30, 11, 11.30 und 12 Uhr, von Oktober bis Mai jeweils um
11 und 12 Uhr. Die Führungen kosten 7,50 Euro pro Person.
Es gibt keine Führung in Deutsch, aber in Englisch, Französisch
und Portugiesisch. Den Park kann man auch ohne Führung montags
bis freitags in der Zeit von 14.30 bis 16.30 Uhr besuchen. Der
Eintritt dafür kostet 3 Euro.
Weg
zum Palast: Entweder man nimmt einen der Busse, die zum Busbahnhof
"Sete Rios" fahren oder die blaue Metrolinie und steigt
an der Metrostation "Jardim Zoologico" aus. Vom Busbahnhof
fährt jede Stunde der Bus Nr. 70 direkt am Fronteira-Palast
vorbei. Schneller geht es per Taxi.